GTA-Süd

Story Teil 2


Ich habe ja bereits geschrieben, dass ich den südlichen Teil noch nicht beendet habe und ich 2004 voraussichtlich den Rest bis zum Mittelmeer bewältige. Bis dahin habe ich meine Notizen der bereits zurückgelegten Etappen von Susa in Richtung Süden hier niedergeschrieben.

Parco Naturale di Bosco del Salbertrand

Den Duft der bunten Berg-Blumenwiese noch in der Nase, sitze ich allein mit einer Dame in einer kleinen Hütte im Nationalpark von Salbertrand. Wir unterhalten uns über die Tiere im Park und sie erzählt mir von ihrem Studium in Berlin und ihren Plänen für dieses Rifugio, welches sie zusammen mit einer Freundin seit einem Jahr übernommen haben. Ihr Aufenthalt in Deutschland kommt mir zugute, denn somit können wir diese Konversation in Deutsch führen.

Schon beim relativ kurzem Aufstieg von Salbertrand zum Rif. Seu habe ich so viele verschiedene Schmetterlinge beobachten und fotografieren können wie noch nie. Doch meine erste Begegnung mit der Fauna dieses Paks war etwas beunruhigend und hat meinen Adrenalinspiegel merklich ansteigen lassen. Es war ein kurzes Waldstück in das die Sonne eindrang und ich marschierte den steilen Pfad entlang an einer Steinmauer, die von der Sonne erwärmt wurde. Im Augenwinkel machte ich eine Bewegung nahe der Mauer aus - und nur Bruchteile von Sekunden später war mir bewußt, dass es sich um eine Schlange handelt und zwar um eine giftig Viper.

Kurz darauf ein kurzes Rascheln aus einiger Distanz. Ein Blick in die Richtung aus der ich das Geräusch vernahm und zwei Rehaugen blicken mich an. Nur für einen Augenblick, dann sucht das scheue Tier Zuflucht im dichten Wald.

Rif. del Seu (1771 m) - Usseaux (1446 m)

24366 Schritte (ca. 18km) - 6 h

Aufstieg

Auch der Abstieg von der Assietta Kamm-Straße ins Valle del Chisone wartet mit einigen Highlights auf. Auf den Almwiesen reiht sich ein Murmeltier-Bau an den anderen und wenn man ein wenig Geduld mitbringt, dann kann man diese lieben Tiere auch aus geringster Distanz beobachten.

Usseux erreicht man nach etwa sechs Stunden vom Rif. Seu und ich war erstaunt als ich das schöne Dorf betrat. Der Posta Tappa (Etappenunterkunft) lohnt einen Besuch auch für nicht GTA'ler.

Usseaux - Baziglia

32171 Schritte (ca. 23,5km) 7h40'

Sehr langer aber auch sehr schöner Weg über den Colle dell Albergian (2713 m). Obwohl ich mich am Anfang gleich einmal verlaufen habe und ca. zwei Kilometer wieder zurück laufen musste und mich der einsetzende Regen etwas bremste, habe ich diese Etappe doch in der angegebenen Zeit geschafft.

Noch nie habe ich so viel Edelweiß auf einem Fleck gesehen. Ein ganzer Hang auf etwa 2000 m Höhe noch vor dem Colle Albergian ist übersät mit Blumen und unzähligen Edelweiß.

Nach dem Colle Albergian sieht man bereits die verfallenen Unterkünfte der Alpini. Jedoch wird mein Blick mehr von den dunklen Wolken angezogen, die sich aus dem Westen über die Bergkette wälzen und einen bedrohlichen Eindruck vermitteln. Ich habe die verfallenen Gebäude noch nicht erreicht, da lassen die Wolken auch schon ihren Graupel auf mich herab. Sofort wird es ungemütlich kalt und ich ziehe mir ein paar warme Sachen und die Regenkleidung über. Hin und wieder lugt etwas später dann die Sonne zwischen den dunklen Wolken hindurch und lässt die Berge in einem faszinierendem Licht erscheinen. Leider ist der Niederschlag zu heftig und die Zeit des Lichts zu kurz, um ein vernünftiges Foto zu bekommen. Außerdem will ich rasch in tiefer Gefilde gelangen, in denen ich mir angenehmere Temperaturen erhoffe.

Der Abstieg führt mich vorbei an rauschenden Wasserfällen, die mit leuchtend gelben Blumen umrahmt sind und sich teilweise aus schwindelerregenden Höhen in die Tiefe stürzen.

In Balziglia gibt es das in Bätzing beschriebene Restaurant nicht mehr, sondern nur noch die Posta Tappa im Museum, wo mich aber die netten Leute zu einem schlichten Abendessen einluden und mir auch zum Frühstück einen Kaffee reichten.

Balziglia - Rodoretto 4,4h und Rodoretto - Ghigo di Prali 2h

26193 Schritte (ca. 20 km)

Eigentlich zwei nicht besonders erwähnenswerte Etappen. Ich habe sie zusammen an einem Tag unternommen, da sie nicht besonders lang und nicht allzu schwierig sind. Man sollte nur etwas auf die Markierungen achten und öfter mal in der Karte nach dem rechten Weg schauen, da es viele Abzweigungen und Weg-Gabelungen gibt, und die Markierungen zum Teil über weitere Strecken fehlen. Oft findet man "MTB" Hinweisschilder aus Holz, die in diesem Abschnitt immer mit der "gta" übereinstimmen.

So "langweilig" diese beiden Etappen auch sein mögen - auch hier haben sich einige Highlights ergeben. Begonnen hat der Tag mit dem Besuch des kleinen Museums in Balziglia wo mir die beachtenswerten Leistungen der Waldenser deutlich wurden. Sie haben über weite Strecken 50 kg über mehrere Tage hinweg durch die Berge geschleppt und das mit Mitteln, die heute jeder verachten würde.

Neben einer Straße bemerkte ich einige seltene Falter und auch einige Kilometer weiter, als ich eine Abkürzung zwischen den Serpentinen nahm, bin ich über eine Blumenwiese gelaufen auf der es nur so von Faltern der unterschiedlichsten Arten wimmelte. Da funkelte es nur so zwischen den violetten Blüten in einem leuchtenden Orange, Blau, Rot, Weiß und Perlmut. In meinem ganzen Leben habe ich noch keine solche Vielfalt auf so engem Raum beobachten können. Ein phantastisches Erlebnis.

Ghigo di Prali - Rif. Lago Verde 3,45h

15824 Schritte (ca. 12 km)

In Ghigo hat man die Auswahl zwischen zwei Varianten. Ich habe mich für die "Alpine" Route entschieden, für die man einen Tag länger benötigt.

Aber ich denke der kleine Umweg lohnt sich, was sich bestätigt als ich an einem mit Rhododendren übersäten Hang ankomme. Ich kann mir bildlich vorstellen wie das in voller Blütenpracht aussehen würde. Jetzt zum Ende des Juli sind sie leider schon alle verblüht. Jedoch stehen an den Hängen noch viele weitere Alpenblumen und erfreuen mit ihren prächtigen Farben. Hier tummeln sich auch die unterschiedlichsten Schmetterlinge und andere Insekten, um sich an dem Nektar zu laben.

Auch Rinderherden sind noch in mehr als 2000 m anzutreffen und ich beobachte den Bauer wie er auf dem Trial Moped seine Herden zusammentreibt und auf andere Almen bringt. Auch das Leben in entlegenen Tälern hat sich im Laufe der Zeit verändert und die Technik hat seinen Einzug gehalten.

Heute habe ich zum ersten Mal länger gebraucht als Bätzing es angibt. Anstelle der 3h 45' habe ich 5h gebraucht, was wohl auch damit zusammenhängt, dass ich zu Anfang einen anderen Weg eingeschlagen habe. Ich bin nicht in Malzat nach Orgiere abgebogen, sondern weiter am Fluss entlang bis Giordano und dann nach Pomieri. Was aber die Stunde mehr nicht rechtfertigt. Ich habe mir heute Zeit gelassen, da mir bewusst war, dass ich rechtzeitig ankommen würde. Wie bereits beschrieben habe ich auch einige Fotos gemacht, bei denen ich nicht immer die Zeit gestoppt habe.

Gedanken

Jetzt sitze ich hier auf dem Colle Giulian bei 2451 m mit nassem Haar, das Papier wellt sich von der feuchten Luft und ich warte auf den Anblick des Monviso. Doch stattdessen wabbern Wolkenschwaden um mein Gesicht und verhüllen jegliche Sicht. Ehrlich gesagt bin ich mir nicht einmal ganz sicher ob ich mich auf dem Giulian befinde. Jedoch höre ich aus der Tiefe, aus dem undurchdringlich erscheinenden Wolkenmeer, Glocken einer Herde, und die einzige Alm oder Bergerie in der Nähe liegt auf meinem Weg nach Villanova, was bedeutet, dass ich in dieses Tal absteigen muss.

Hier nutze ich die Zeit des Wartens um einige Gedanken niederzuschreiben.

Genepie - dieses mysteriöse, hochprozentige und begehrte Getränk hat anscheinend seinen Geist auch auf mich einwirken lassen. Ich habe die angegebene Zeit bis zum Giulian deutlich unterschritten (2h 45'). Auch dieses geheimnisvolle Pflänzchen habe ich auf meinem Weg hierher oft gesehen, und obwohl es eigentlich unter Naturschutz steht wird Genepie weiterhin zur Herstellung des Getränks verwendet, welche nicht allzu schwierig ist.

Noch ein kleiner Hinweis. Wenn man am Wochenende auf ein Rifugio kommt und dort übernachten will, dann sollte man unbedingt einen Platz reservieren, vor allem wenn man zu mehreren Personen unterwegs ist.

Ich bin allein auf das Rif. Lago Verde gekommen und habe noch einen Platz im Matratzenlager zusammen mit sieben Italienern bekommen, mit denen ich auch am Abend auch am Tisch saß und wir hatten jede Menge Spaß bei lustigen Kartenspielen. Sie haben mich auch zu einem Genepie eingeladen, der mir aber auch ganz schon in den Kopf gestiegen ist, was einem bei der Rezeptur nicht verwundern sollte.

Rif. Lago Verde nach Villanova im Valle Pellice

25921 Schritte (ca. 20km) letztes Stück im Regen

War es wirklich der Geist des Genepie oder das schlechte Wetter, welches mich so vorangetrieben hat? Jedenfalls habe ich die im Bätzing angegebene Zeit mit 5h 50' deutlich unterschritten. Ich möchte hiermit nicht darstellen, dass ich versuche die angegebenen Zeiten zu unterbieten oder eine Art von Wettbewerb auszutragen, denn ich gehe immer mein Tempo und mache auch Pausen. Jedoch haben die angegebenen Zeiten bis jetzt fast immer genau mit meinem "Tempo" übereingestimmt.

Gleich nach dem Aufstieg vom Rif. Lago Verde zum Gr. Guglia habe ich mich lange mit zwei Italienern unterhalten, die auch auf dem Weg der GTA sind - jedoch in die entgegengesetzte Richtung und sie haben andere Wege gewählt als ich. Jedenfalls war einer von ihnen Experte was Genepie anbelangt und er hat mir die Zubereitung erklärt.

Wie sie den Geist der Berge in die Flaschen zaubern:

Zuerst wohl die schwierigste Aufgabe. Man muss das begehrte Pflänzchen in den Bergen finden und über dem Boden abschneiden. Dann nehme man einen halben Liter puren Alkohol und gebe diesen zusammen mit 40 von den Blumen in eine Flasche und lasse es 40 Tage reifen. Dann macht man einen Sirup aus einem halben Liter abgekochtem Wasser und 450 g Zucker. Man filtert den mit Genepie versetzten Alkohol und vermengt ihn mit dem Sirup.

Allerdings möchte ich hier hinzufügen, dass ich keine Gewähr für die Rezeptur übernehme, zumal sich hier die Aussagen unterscheiden und es auch verschiedene Arten von den Pflanzen gibt. Mir wurde die angeblich geeignetste davon gezeigt, habe aber bewusst darauf verzichtet sie abzubilden.

Wir verabschieden uns irgendwo zwischen Gr. Guglia und Pso di Brard an einem Abzweig, der in der Karte nicht eingezeichnet ist.

Ruhe ist eingekehrt. Ich bin allein auf dem Weg. Das Wochenende geht zu Ende und der einzige Mensch den ich hier getroffen habe ist ein Schäfer mit seiner großen Herde und seinen drei Hunden. Ich habe ein paar Worte mit ihm gewechselt und bin dann tiefer in die Wolken eingetaucht.

Von den Haaren triefen kleine Tröpfchen alles fühlt sich klamm an, aber es ist dafür nicht so erbärmlich heiß. Es ist ein merkwürdiges Gefühl, einsam durch dieses "Nichts" zu marschieren. Die Zeit scheint still zu stehen. Ein Fuß vor den Anderen. Alle Tiere scheinen zu schlafen. Nur vereinzelt höre ich ein Zirpen von Heuschrecken.

Irgendwann erreiche ich den Abzweig zum C.Bancet, wo ich eine kurze Rast mache. ls ich dann wieder aufbreche war ich sehr überrascht als bereits nach einigen Schritten aus dem Nebel ein Fahrweg sichtbar wird.

In Serpentinen geht es steil hinab bis ich von irgendwo Kuhglocken höre und ich ein wenig erleichtert bin, wieder in die Nähe von menschlichen Ansiedlungen zu kommen, zumal ich bereits einige Tropfen aus den dunklen Wolken über mir gespürt habe. Allerdings habe ich auch schon einen Unterstand in Form von einer unbenutzten Bergerie in nicht allzu weiter Entfernung gesichtet.

Villanova 1223 m - Rif. Batt.Alpini M. Granero 4 h 2377 m

16750 Schritte (12,5 km)

Die Übernachtung in dem gemütlichen kleinen Dörfchen Villanova war super,

Die Nacht in dem abseits vom Restaurant gelegenen Raum habe ich mal wieder allein verbracht. Die roten Stockbetten für die Matratzenlager haben sie anscheinen mal geschenkt bekommen, denn in vielen Posta-Tappa habe ich diese vorgefunden. Das Essen im Restaurant gestern Abend war erstklassik und wenn man dieses üppige dreigängige Menü, das simple Frühstuck und die meist spartanische Unterkunft betrachtet, so scheint einem der Preis von durchschnittlich 33 Euro doch gerechtfertigt, zumal man ja auch eine Art Entwicklungshilfe damit leistet und vielleicht doch ein paar Menschen mehr in den einsamen Tälern bleiben, das Land kultivieren und nicht in die Großstädte flüchten.

Man folgt immer dem Fluss, an dessen Ufer immer wieder kleine Flecken zum Verweilen einladen.

Traumhaftes Wetter - berauschende Flora und ein Apollo Falter der mich an der Nase herum führte.

Rif. Batt.Alpini M. Granero 2377 m - Rif. Pian del Re 2010 m 6,25 h

16039 Schritte (ca. 12 km)

Dieser Tag hat mit einem wunderschönen Sonnenaufgang begonnen, der die Berge zur Grenze Frankreichs in ein zartes Orange verfärbte.

So gut und schön dieser Tag begann, so setzte er sich auch fort. Vom Granero geht es zuerst einmal hinunter zum See und dann steil hinauf auf 2851 m zum C.le Seilliere. Wenige Minuten vor ich den Colle erreichte hörte ich auf der gegenüberliegenden Hangseite Steine krachen. Ich hielt inne und suchte die vermutete Gegend ab. Kurz darauf sah ich in den steilen Felsen ein Tier, das sich langsam vom Grat abwärts bewegte. Als ich es deutlicher sehen konnte entpuppte es sich als einen ausgewachsenen Steinbock. Ich war im Schatten des Berges und so hatte es mich noch nicht sehen können. Ich stellte meinen Rucksack ab und bereitete meine Kamera vor, in der Hoffnung, dass der Steinbock sich weiter nähern würde. Das Glück war auf meiner Seite - mit dem 600er Objektiv konnte ich den Steinbock super einfangen. Durch solche "Aktionen" sind gleich mal gut 30 Minuten vergangen. Bei langen Tagesetappen wie der heutigen, die etwas mehr als sechs Stunden reine Geh-Zeit beansprucht wird es dann schon mal spät am Abend bis man sein Ziel erreicht.

Vom Colle Seilliere hat man dann, wenn das Wetter so traumhaft ist wie heute, eine traumhafte Aussicht auf den gesamten Grenzkamm mit R.ce Fourioun, Coulour Bianco, P.Roma und anderen Gipfeln, die alle um die 3000 m hoch sind. Über allen thront der M.Viso mit seinen 3841 m und seinen Schneebedeckten Flanken.

Es geht wieder ein paar hundert Meter hinunter, durch eine große Schafherde hindurch und nach einer Ruine gabelt sich der Weg. Hier geht es links wieder ein paar hundert Meter hinauf in eine unbezwingbar erscheinende Felswand hinein wo der erste "Straßen" - Tunnel der Alpen durchdrungen wurde. Buco di Viso genannt, was so viel bedeutet wie " Loch des Viso", wurde zwischen 1479 und 1483 in 2882 m erstellt und er hatte damals eine Länge von ca 100 m. Zu damaliger Zeit war es eine Technische Meisterleistung und erregte bei der Bevölkerung großes Aufsehen. Heute ist er infolge von Verwitterung um ein paar Meter geschrumpft und er hat gerade mal die Ausmaße um einem beladenen Maultier den Durchgang zu ermöglichen, Er wurde angelegt um den etwas ausgesetzten Passübergang des Colle delle Traversette (2950 m) zu entschärfen und auch im Winter begehbar zu machen. Es war ein wichtiger Handelsweg, vor allem für das Salz aus dem Rhone-Tal, weswegen er auch "Galeria del Sale" genannt wurde. Man vermutet auch, dass Hannibal an dieser Stelle die Alpen überquert haben könnte, der Colle delle Traversette ist einer der vier diskutierten Übergänge.

Nach 2h 30 min erreiche ich den Eingang zum Tunnel - oder sollte ich es doch lieber als Loch bezeichnen. Denn der Eingang scheint mit Schnee versperrt zu sein. Jedoch hat der Lions-Club und der Italienische Alpenverein CAI, welche den Tunnel nach Felsstürzen auch wieder begehbar machten, am französischen Eingang eine Mauer angebracht, um das Zuwehen mit Schnee zu verhindern. So bleibt ein kleines Loch, durch das man kriechen kann, um dann in einen abfallenden mannshohen Tunnel zu gelangen.

Von der Italienischen Seite des Tunnels geht es ein paar Kehren hinab zu einem Weggabelung. Dort bin ich etwas im Zweifel und verwirrt. Denn im Bätzing steht, dass man von Italienischen Tunnelende zum Colle delle Traversette aufsteigt, der mit seinen 2950 m der höchste Punkt der GTA ist. Den Italienischen IGC Karten kann man nicht immer 100 prozentig vertrauen und der Tunnel ist nicht eingezeichnet sondern nur benannt, aber der Weg vom gerade durchdrungenen Grat zum Pian del Re führt nach Osten und der Colle liegt im Westen. Ich steige trotzdem auf zum höchsten Punkt der GTA um mich zu vergewissern, oder vielleicht gibt es am Colle noch einen anderen Weg hinab zum Pian del Re. In gut 20 Minuten befinde ich mich dann auch auf 2950 m und es bietet sich mir ein fantastischer Anblick auf den Grenzkamm, an dessen Italienischer Seite sich die von Osten kommenden Wolken zu eine weißen Wand aufbäumen. Jedoch finde ich keinen anderen Weg als der hinab nach Frankreich von wo ich ja gerade herkomme. Hier ist Bätzing wohl ein kleiner Irrtum unterlaufen. Also wieder hinab auf einem steilen Weg, an dessen Seiten verrosteter Stacheldraht in Rollen liegt und der bald zu verfallenen Festungsanlagen führt. Strategisch gesehen war dieser Übergang wohl schon immer von großer Bedeutung, da er ein kurzer und schneller Weg war um von Frankreich in die Po-Ebene zu gelangen, zumal das Po-Tal ja eines der kürzesten im Piemont ist.

Weiter geht es steil bergab zur Pian Armoine, dessen folgende Hänge mit Blumen übersät sind und es nur so von Faltern und Hummeln der unterschiedlichsten Bauform wimmelt. Pfauenauge, Apollofalter, Schachbrett ... um nur einige markante zu nennen. Schon bald darauf hat man Einblick auf die Pian del Re. Hier liegen die Ursprünge des Po und man sieht von weitem das Rifugio und den Lago Fiorenza.

Eigentlich hätte ich noch die Zeit gehabt um in 2,5 h zum Rif. Q.Sella zu gehen, denn trotz des kleinen Abstechers auf den Colle d. Traversette und er "Aktion" mit dem Steinbock und ein paar anderer, habe ich es genau in der von Bätzing angegebenen Zeit geschafft. Aber jemand hatte erwähnt, dass heute sehr viele zum Rif.Q.Sella aufgestiegen sind und deshalb entschloss ich mich hier nach einem Schlafplatz im Rif. Pian del Re zu fragen. Es hat sich gelohnt, denn ich wurde belohnt mit einem delikatem Abendmahl.

Rif. Pian del Re 2010 m - Rif. Qintina Sella 2640 m 2h 30''

Jetzt sitz ich hier im Rif. Q.Sella und schau mir das ganze bunte Treiben an. Es sind unglaublich viele Leute hier. Ich schätze allein in dem Zimmer, in dem ich schlafe, sind mehr als 20 Leute untergebracht. Es gibt fünf auf der ersten Etage und wenn in der Zweiten noch mal dasselbe ist, dann sind es bestimmt mehr als hundert Leute. Das würde auch meine Schätzungen beim Abendessen bestätigen. Wenn von all denen nur die Hälfte zum Monviso aufsteigen will, dann ist da morgen ganz schön was los. Ich muss mir das noch einmal durch den Kopf gehen lassen ob ich mir das antue. Wahrscheinlich wird es eine ganz spontane Entscheidung morgen noch vor Sonnenaufgang, wenn die Ersten aufbrechen wollen.

Aber das ist Zukunft. Ich will etwas über diesen Tag schreiben, der entgegen allen Prognosen doch mit einem strahlend blauem Himmel begann.

Mit dem simplen Frühstück, das ich erwähnte, muss ich mich berichtigen. Hier auf dem Pian del Re gibt es eine kleine Abwechslung, frische Croissant, Kekse, richtigen Cappuccino und das Übliche - Marmelade, Butter, Honig.

Während ich am köstlichen Cappuccino schlürfte, bemerkte ich vor dem Rifugio geschäftiges Treiben. Ein Maultier wurde schwer beladen und eine Gruppe Franzosen scharte sich um das Tier. Eine Expedition? Ich dachte mir das ist bestimmt so eine geführte Tour auf den Monviso.

Jedenfalls habe ich das Rifugio noch vor der Karawane gegen Neun verlassen und machte mich auf den Weg. Ich möchte erwähnen, dass ich mich hier an den Ursprüngen des Po bewege und der heutige Weg führt vorbei an einigen kleinen Seen, die alle den Po speisen. Schon der Erste, der Lago Fiorenza, beeindruckte mich mit seiner klaren Smaragdgrünen Farbe und in seiner Oberfläche spiegelt sich die Gebirgskette wieder. Der nächste, höher liegende See ist kleiner. Der Lago Chiaretto überrascht mich aber mit seiner Farbe. Ein reines Türkis leuchtet mir entgegen als ich um einen Fels biege.

Den Weg zu finden stellt heute wirklich kein Problem dar, denn es sind jede Menge Leute unterwegs zu den Seen oder zum Rif. Q.Sella. Für einen Moment befürchtete ich schon einen Platz im Rifugio zu bekommen, aber zerschlug diesen Gedanken auch gleich wieder, weil mir ja gesagt wurde, dass es sich bei diesem Rifugio um ein ganz schön großes handeln würde. Ich würde auch schon sehr früh ankommen, weil es ja nur zweieinhalb Stunden Aufstieg sind.

Gegen Mittag war ich dann auch dort und habe mir einen Schlafplatz reserviert. Danach habe ich mich auf den Weg um Viso Mozzo gemacht. Es ist der Hausberg des Rifugio und nicht allzu sonderlich schwierig. Er steht genau im Osten vom großen Bruder und bietet eine famose Aussicht in die Po-Ebene, nach Süden und nach Norden. In zwei Stunden bin ich vom Rifugio auf 3019 m aufgestiegen und fand die Po-Ebene unter einer weißen Wolkenschicht vor. Doch im Norden konnte man ausgezeichnet den Grenzkamm erkennen und ich sah teilweise meinen zurückgelegten Weg.

Immer wieder richtet sich mein Blick nach Westen zu der im Schatten liegenden Wand des Monviso, dessen Gipfel von einer dunklen Wolkenschicht umgeben ist. Hinzu kommt das immer wiederkehrende dumpfe Grollen, welches die dustere Atmosphäre noch untermalt, und mir immer wieder einen kalten Schauer den Rücken hinunterrinnen lässt.

Gleichermaßen beeindruckend ist ein kurzer Blick nach Osten, in die Tiefe, aus der von leise noch einige Kuhglocken zu hören sind. Kurz deshalb, weil mir schon ein wenig schwindelig wird als ich hinter dem Gipfelkreuz nichts als gähnende Leere vor mir zu sehen bekomme. An der Ostseite fällt der Viso Mozzo senkrecht einige hundert Meter in die Tiefe und auch der Blick in die Po-Ebene scheint ins unendliche zu reichen.

Ein liebliches Panorama bietet einem der Blick nach Norden, wo man in der Tiefe den türkis schimmernden Lago Chiaretto und den dunkelgrünen Lago Fiorenza erkennen kann. Der Grenzkamm erstreckt sich bis zum Horizont und ich meine auch den überschrittenen Colle delle Traversette zu erkennen. Noch weiter im Norden sind dann die Gipfel des Gran-Paradiso für meine Augen nur noch schemenhaft auszumachen. Ich habe wirklich ein großes Glück mit dem Wetter, denn meistens liegt das Gebiet um den Monviso unter einer dicken dunklen Wolkenschicht. Auch heute befinden sich unter mir etliche Wolken, aber die dichte Wolkendecke fehlt und so bietet sich immer wieder für einen kurzen Moment der Blick in die tiefer gelegenen Gebiete.

Der Abstieg ging zügig vonstatten. Man muss nur auf kippende Steine im Fels-Haufen achten. Etwa hundert Meter vor ich den Hauptweg zum Rifugio erreichte, sah ich einen einsamen Steinbock - nur etwa hundert Meter vor mir an ein paar Bergblumen knabbern. In der glatten Oberfläche des Sees spiegeln sich die Wolken und der blaue Himmel wieder. Ich habe gerade noch Zeit um ein Foto von dem noch jungen Steinbock zu bekommen und dann ist er auch schon hinter einer Felswand verschwunden. Ich warte noch ein paar Minuten und gerade als ich die Kamera wieder im Rucksack verstauen will, da taucht er wieder auf. Er hat sich etwas entfernt von mir und ich bekomme ihn nicht mehr so groß aufs Bild, dafür steht er jetzt genau in einer Flucht mit dem spiegelglattem See im Hintergrund und es ergibt ein Bild, das wie gemalt auf mich wirkt. Mein Herz springt vor Freude und so schnell dieser Moment sich ergeben hat, so schnell ist er auch wieder verflogen und im See kräuseln sich die Wolken im von Wind bewegten Wasser.

Ich höre seine Stimme - Monviso 3841 m

Aufstieg vom Q.Sella (mit einigen Wartepausen) 5h - Abstieg 4h

Mitten in der Nacht. Ich wache auf von dem Geschnarche eines Anderen im Matratzenlager, in dem mehr als 20 Personen liegen. Ich suche den Knopf für die Beleuchtung meiner Uhr, die Zwei Uhr dreiundfünfzig anzeigt. Zum Glück stehe ich schon in knapp einer Stunde auf, um zu frühstücken und um mir das Chaos der Leute anzusehen, die wahrscheinlich alle rauf auf den Monviso wollen. Gestern beim Abendessen waren es bestimmt knapp hundert Leute, und wenn nur die Hälfte von ihnen rauf wollen, dann gibt das ein ganz schönes Gedränge.

Ich nicke noch einmal ein und erst das Klappern und Scheppern von Flaschen und Karabinerhaken weckt mich kurz nach Vier wieder aus dem Schlaf. Als ich runter in den Saal komme sitzen schon alle an den Tischen. Sie machen einen recht müden Eindruck. Es wird kaum ein Wort gewechselt und selbst die Italienische Gruppe mit fünf Personen verhält sich ungewohnt ruhig. Aber ich bin erstaunt, dass es dann doch nicht so viele sind wie ich erwartet habe. Gestern nach dem Abendessen habe ich mich eigentlich dazu entschlossen, nicht auf den Monviso zu steigen, weil ich angenommen habe, dass der Rummel zu groß ist und mir dröhnt immer noch das Geräusch von den donnernden Steinen in den Ohren. Ich habe keine Lust von einem dieser Brocken erschlagen zu werden, und das Risiko steigt mit der Anzahl der Personen, die über dir sind. Aber als ich dann sehe dass die Meisten von ihnen in die Andere Richtung gehen und nur drei in die Richtung von Monviso unterwegs sind, stürze ich meinen Entschluss von gestern und starte dann etwa eine halbe Stunde nach den Anderen gegen Fünf.

Jetzt im Nachhinein betrachtet ist der Monviso gar nicht mehr so schlimm, und der Abstieg hat sich auch nicht als so schwierig herausgestellt wie ich mir es zu Anfang vorgestellt hatte. Beim Aufstieg, oder besser gesagt bei den Kletterpassagen, habe ich mich schon des Öfteren gefragt wie ich da je wieder runterkommen soll. Irgendwann nach etwa vier Stunden war ich auch schon fast so weit, dass ich nicht mehr weiter wollte, um mich in aller Ruhe wieder an den Abstieg zu wagen.

Jetzt sitze ich hier in Pontechianale mit meiner Freundin bei Pizza und einem guten Gläschen Wein. Nachdem ich vom Monviso zurück zum Rif.Q.Sella gekommen bin, habe ich meine Sachen zusammengepackt, bezahlt und mich auch gleich wieder auf den Weg gemacht in Richtung Castello am Lago ???. Dort will ich mich mit meiner Freundin treffen.

Bereits eine viertel Stunde nachdem ich das Rifugio verlassen hatte fallen auf mich kleine Eiskugeln von oben herab, die immer mehr werden und mich dazu veranlassen einen Unterschlupf zu suchen. Unter einem Felsvorsprung finde ich ein wenig Zuflucht vor diesem unfreundlichen Wetter. Wie ich da so sitze und auf die kleinen Eiskügelchen starre, welche die Umgebung innerhalb kürzester Zeit mit einer weißen Schicht überzieht, wage ich es kaum mir auszumalen, was ich tun würde wenn ich jetzt noch oben auf dem Monviso wäre. Man sollte das Wetter hier in dieser Region nicht unterschätzen. Wie ich jetzt selber erfahren habe kann es sich ohne große Vorankündigung innerhalb von wenigen Minuten ändern und auch mitten im Sommer sind Schneefälle möglich. Auf 3200 m gibt es ein Biwak, aber ich weiß nicht ob ich es vom Gipfel gewagt hätte bis dorthin abzusteigen, zumal die schwierigen und ausgesetzten Passagen alle oberhalb des Biwak liegen. So danke ich allen meinen Schutzengeln und Gott, dass ich hier unter dem Felsvorsprung sitze und nicht mehr irgendwo da oben auf dem Monviso, der zu den lohnenswertesten Gipfeln in Italien zählt.

Ein langer Tag voller Erlebnisse neigt sich nach sechzehn Stunden dem Ende und findet einen ruhigen Ausklang in einer kleinen Pizzeria bei einem Gläschen Wein. Und obwohl mir nach diesem Tag doch die Füße etwas schmerzen, freue ich mich schon jetzt darauf, die gta.

Zum Abschluss dieser Etappe vom Südteil der gta möchte ich noch ein kleines Statistisches Resümee liefern.

Die vergangenen Zehn Tage habe ich mehr als 400 Bilder geschossen und etwa 180000 Schritte zurückgelegt. Das sind etwa 230 km, ?? Höhenmeter rauf und ?? runter bei einer reinen Gehzeit von 50 Stunden, ohne die Gipfelbesteigungen von Viso Mozzo 3019 m in 3 Stunden und Monviso 3841 m in 9 Stunden.